NSG Radegasttal

Die Radegast im Nordwesten des Landes gehört zu den wenigen Flüssen in Deutschland mit noch weitgehend unverbautem, mäandrierendem Lauf. Aufgrund der hohen Wasserqualität kommen über 20 Rundmäuler- und Fischarten sowie Bach- und Große Flussmuschel vor. Besonders zur Blütezeit interessant sind die artenreichen Feuchtwiesen im Radegasttal, deren Pflege durch die Stadt Rehna gefördert wird.

Das NSG umfasst das Radegasttal vom Neddersee (27 m NN) bei Gadebusch bis zur Einmündung in die Stepenitz bei Börzow (7 m NN) und gehört zur Landschaftseinheit „Westmecklenburgisches Hügelland mit Stepenitz und Radegast“.

Das Radegasttal ist auf eine radiale Spalte im Gletschereis der Weichsel-Vereisung zurückzuführen. Zwischen Gadebusch und Rehna besteht die Talfüllung aus fein- bis mittelkörnigen Sanden, in die sich die mäandrierende Radegast eingeschnitten hat. Der Fluss selbst verläuft im Süden in bis zu 4 m mächtigen Torflagern und mehr als 3 m mächtigen Torf- und Kalkmudden bzw. Wiesenkalk. Im Nordteil, etwa ab Volkenshagen bis zur Mündung in die Stepenitz, besteht die Füllung aus Kolluvium. Der von der Radegast durchflossene Neddersee ist von Quellmooren umgeben.

Mit der Gründung des Klosters zu Rehna 1236 wurde in Rehna eine Wassermühle mit einer Stauhöhe von 4 m errichtet. Dies führte zu einer Versumpfung der oberhalb liegenden Talbereiche. Auch unterhalb des Neddersees wurde die Radegast an der so genannten Landmühle etwa 1,5 m hoch aufgestaut. Überliefert ist der Fischreichtum der Radegast. Das flussbegleitende Grünland im Radegasttal wurde als Weide oder ein- bis zweischürige Wiese genutzt, wie die WIEBEKINGSCHE KARTE von 1786 zeigt. 1948 erfolgte eine partielle Begradigung der Radegast zwischen Gadebusch und dem Neddersee, wobei viele Mäander verschwanden. Die Niedermoorflächen wurden in weiten Teilen bis Anfang der 1990er Jahre intensiv landwirtschaftlich genutzt. Im Bereich Rehna erfolgte eine kleinflächige, meist extensive Nutzung durch Kleintierhalter. Zwischen Rehna und Holdorf findet heute eine extensive Grünlandnutzung statt.

In der Radegast siedeln Kammlaichkraut- und Tausendblatt-Tauchfluren, Teichrosen-Schwimmblattfluren und das Pfeilkraut-Igelkolben-Kleinröhricht. An den Ufern des Neddersees sowie an feuchten Standorten des Talraumes erstrecken sich flächenhaft Röhrichte. Im Mittellauf herrschen Großseggenriede und staudenreiche Röhrichte vor, die noch Elemente seggen- und binsenreicher Nasswiesen aufweisen. In einem Erlen-Quellmoorwald an der Westseite des Neddersees kommen Gegenblättriges Milzkraut, Bitteres Schaumkraut sowie seltene Moose wie Kriechendes Breitringmoos und Gemeines Krausblattmoos vor. Südlich von Rehna beherbergt das Radegasttal Seggenriede, Sumpfdotterblumen- und Kohldistelwiesen mit dem Teufelsabbiss, Kleinem Baldrian, Gemeinem Zittergras, Schwarzschopf-Segge, Hirse-Segge, Breitblättrigem Knabenkraut, Stumpfblütiger Binse und Moosen wie Bäumchenartigem Leitermoos und Sumpf-Schiefsternmoos. Mit der Perücken-Flockenblume kommt bei Rehna eine Art vor, die im Radegasttal ihren einzigen Standort in Mecklenburg-Vorpommern hat. Hier kommt auch der weltweit seltene Großsporige Tintling vor. Von den über 20 nachgewiesenen Neunaugen- und Fischarten in der Radegast sind Bach- und Flussneunauge, Elritze, Hasel, Meerforelle, Quappe, Steinbeißer und Schlammpeitzger besonders hervorzuheben. Die Radegast ist das einzige Fließgewässer im Stepenitz-Einzugsgebiet, in dem die bestandsgefährdete Bachmuschel rezent vorkommt. Daneben leben rheophile Molluskenarten, wie z. B. Große Flussmuschel und Gemeine Kahnschnecke, in der Radegast. Auch die anspruchsvolle Grundwanze, die Gemeine Keiljungfer sowie 25 verschiedene Köcherfliegenarten, u. a. Anabolia nervosa, Plectrocnemia conspersa und Hydropsyche siltalai, sind hier zu finden. Am Rehnaer Mühlenwehr ist die Gebirgsstelze zu beobachten. In steilen Uferabbrüchen brütet der Eisvogel. Auch Laubfrosch und Rotbauchunke sind im Radegasttal heimisch. Der Neddersee mit seinem ausgedehnten Röhrichtgürtel bildet den Lebensraum u. a. für die Rohrweihe, ist wichtiger Rastplatz für Entenvögel auf dem Herbstzug und dient als Nahrungsrevier für See- und Fischadler.

Das Radegasttal befindet sich in einem guten Zustand. Die Stadt Rehna fördert seit 1991 die Pflege von artenreichen Feuchtwiesen. Notwendig ist die Extensivierung von zur Zeit intensiv genutzten Flächen, vornehmlich im Raum Vitense, Törber und Bonnhagen.

Das Radegasttal ist von seinen Randlagen aus gut einsehbar. Wanderwege existieren zwischen Rehna und Gadebusch. Reizvoll ist auch ein Blick vom Jensenberg auf den Neddersee. Eine Bahnfahrt auf der Strecke Schwerin-Rehna ermöglicht zwischen Gadebusch und Rehna außergewöhnliche Einblicke in das Schutzgebiet.

 

 

 

 

Quelle: Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): „Die Naturschutzgebiete in Mecklenburg-Vorpommern“, Schwerin, Demmler Verlag 2003, 720 S. – ISBN 978-3-910150-52-2. Mit freundlicher Genehmigung © Demmler Verlag

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